Dr. phil. Johann-Henrich Schotten Regionalmuseum Fritzlar Am Hochzeitshaus 6-8 34560 Fritzlar
Sehr verehrte Frau Trosse! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Mitglieder des Museumsvereins, ehrenamtliche Mitarbeiter, werte Freunde und Förderer des Regionalmuseums!
Sie können sich vorstellen, daß die Mitwirkenden am heutigen Projekt und ich uns sehr über Ihr zahlreiches Kommen freuen und für Ihr großes Interesse dankbar sind. Fast wirkt der Rahmen ein wenig groß für die Präsentation einer kleinen Broschüre, die ich Ihnen heute abend ans Herz legen möchte. Es ist doch nur ein etwas molliges Heft für eine einzige, allerdings zentrale Abteilung unserer Einrichtung.
Sie werden sich sicher fragen, was uns dazu bewogen hat, uns der Mühe zu unterziehen, um dieses Projekt fertigzustellen. Dazu erlauben Sie mir bitte, ein wenig in die Geschichte unseres Museums zurückzublicken: Als im Jahre 1956, die Sammlungen erstmals in diesen Räumen der Öffentlichkeit zugänglich wurden, gab es sehr viel Idealismus, guten Willen und Fleiß, unendliche Geduld und Durchhaltevermögen, vor allem aber eine große Fabulierfreude, welche die Herren Martin Kliem, Willi Matthias, Franz-Josef Heer und vor allem Ludwig Köhler u. a. den jungen Redakteur Hans Heintel vor zahlreichen Besuchern immer wieder beflügelte, ihre Forschungsarbeiten darzustellen, mündlich, versteht sich. Nur der Bäckermeister Heer und dann, eher ganz professionell, Hans Heintel traten auch schriftlich an die Öffentlichkeit. Zu einem Begleitheft durch die Sammlungen kam es aber zunächst nicht.
Das 1250jährige Jubiläum der Stadt Fritzlar und der damit verbundene Hessentag im Jahre 1974, der uns die „Erhöhung“ zum Regionalmuseum einbrachte, war vielleicht nicht der Hauptanstoß, trug aber, vor allem auch in finanzieller Hinsicht, erheblich dazu bei, daß der damalige Leiter der Vor- und frühgeschichtlichen Abteilung Dr. Joseph Bergmann im Landesmuseum Kassel nicht nur an der Neugestaltung der Abteilung neben Hans Heintel und Herrn von Andrian für den Hessischen Museumsverband mitwirkte sondern auch ein erstes knappes Führungsheft verfasste und herausgab. Der Text zeigte den damaligen Forschungsstand auf kundige aber eher nüchterne Weise. Die schwarzweißen Photos unterstrichen diese Darstellung noch, entsprachen andererseits aber dem Stand des Publikationswesens und der Finanzierbarkeit wie auch der seinerzeitigen Ausstellungs-Didaktik. Sie strebte fast ideologisch eine Konzentration auf das Wesentliche an und trachtete alle Ablenkungen und gewissermaßen „Firlefanz“ zu vermeiden. Dies ist auch der Grund, warum die Vitrinen in diesem schlichten Weiß gehalten worden waren, das Sie heute noch sehen. Sogar Dioramen waren verpönt und unerwünscht. Ihre Wiedereinrichtung mit Hilfe von Christoph Kappel, dem Sohn der Nachfolgerin von Dr. Bergmann und dem Kollegen Dr. Jürgen Kneipp, musste regelrecht erkämpft werden.
Inzwischen sind wir eine Forschungsgeneration weiter. Das Heft von Dr. Bergmann ist derweilen vergriffen, jüngere Archäologen haben modernere Publikationen verfasst, die aber historische Erkenntnisse über weite Räume verbreiten, für die wir hier um Fritzlar und im Museum nicht immer die Belege vorweisen können, welche das Leben der Menschen seit Jahrtausenden anschaulich zu machen vermögen. Was also war zu tun?
Unsere Vitrinen sehen nur scheinbar so aus, als ob sie sich in den vergangenen 35 Jahren nicht geändert hätten. Nicht zuletzt die großen und weithin bekannten Ausgrabungen der 1970er bis 1990er Jahre und danach haben uns nicht nur eine Fülle von Funden eingebracht, sondern auch eine immense Menge von neuen Erkenntnissen, die geradezu dazu zwingen, sie dem Publikum verständlich nahezubringen. Dr. Bergmann, bei dem ich das Glück hatte ein 21/2 jähriges Volontariat zu absolvieren, war schon vor dem Kriege seiner Zeit und seinen Kollegen weit voraus gewesen und hielt die Spur nach 1945 bis zu seinem Tode. Er hatte sich daher in Archäologenkreisen gelegentlich den Ruf eines „Spinners“ eingehandelt, was ihn aber nicht beirrte. Sein Credo war, nie zu vergessen, daß man es im Beruf des Prähistorikers in Wirklichkeit nicht mit wertvollen Schätzen oder abstraktem Kunstgenuss zu tun hatte, sondern stets mit richtigen Menschen. Ein Skelett war ihm nicht einfach ein schauriges Objekt sondern ein einst lebendiges fühlendes, vielleicht sogar denkendes Wesen, eine Scherbe nicht nur ein schmutziger und kaputter Gegenstand, der sich nach theoretischen Formgesetzen gewissermaßen selbst gefertigt hätte, sondern der „Fingerabdruck“ eines wirklichen Menschen. Hierin war er sich, bei allen sonstigen Diskussionen, mit den damaligen und heutigen Mitgliedern des Museumsvereins völlig einig. Es ging ihm also um Erkenntnisse zu einem annähernd tatsächlichen Lebensbild und zum Verständnis einer realen Welt in ihrer Entwicklung. Das Entscheidende dabei ist die Annäherung. Etwas burschikos ausgedrückt: „Der Archäologe weiß und sagt nie die Wahrheit aber er versucht immer sich ihr anzunähern.“ Die Geschichte, die er nach seinem derzeitigen Forschungsstand erzählt, wird daher nie vollständig wahr sein, Irrtümer verzeihlich. Selbst bei Augenzeugen darf man bekanntlich überlegen, wo die Grenzen von objektivem und subjektivem Erleben liegen, aber es erfreut sowohl den Erzähler wie den Zuhörer oder Leser, wenn die Darstellung wenigstens plausibel erscheint, und alle sind zufrieden. Das ist auch der Grund warum Sie beim Lesen immer wieder auf bildhafte Szenen stoßen werden.
Ich kann beim besten Willen nicht schätzen, wieviel hunderte oder vielleicht sogar tausende Führungen seit 1956 oder dann ab 1974 absolviert worden sind. Im Laufe der Zeit wurde aber eines deutlich. Mögen die Vitrinen Schrammen abbekommen haben, mögen der ewige Kampf gegen Staub und Ungeziefer wie auch die zahlreichen Veranstaltungen ihre Spuren hinterlassen haben, immer noch und immer mehr entwickelte sich ihr Inhalt zu prächtigen Bildern, mit denen wir bei unseren engagierten Führungen unsere Worte illustrieren konnten.
Es nützt aber nichts, wenn ich als gelernter Archäologe dies einzig und allein mache, die fortschreitende Forschung, deren Ergebnisse sich aus eigener Arbeit und aus Fachzeitschriften und Diskussionen unter Kollegen allmählich ansammelten, müssen auch weiter gegeben werden. Ich wurde von den Herren Fritz Rödde, Ludwig Köhler, Hans Heintel und Egon Schaberick gewissermaßen „angelernt“ und gab meine Kenntnisse –„gereinigt“ und vermehrt- zunächst an die Herren Heinrich Heupst und Werner Kattwinkel weiter. Nach ihrem Dahinscheiden ist nun ein neue Generation von Helfern und Museumsführern an der Reihe.
Es war eigentlich der Gedanke an Rationalisierung, der mich dazu brachte, viele der Elemente meiner Führung zunächst in einem maschinenschriftlichen Manuskript niederzulegen. Man könnte auch sagen „Faulheit“, denn es ist ein mühsames Unterfangen, jedem neuen ehrenamtlichen Mitarbeiter die wesentlichen Inhalte der Ausstellung im Detail zu schildern. So war es sehr viel effektiver, wenn die neuen Betreuer zunächst diese Schrift lasen, und wir uns dann in Frage und Antwort miteinander in die Vorgeschichte vertiefen konnten.
Vor nicht allzu langer Zeit war das letzte Bergmann-Heft verkauft, und die Besucher, darunter nicht zuletzt auch Lehrer, fragten öfter nach einer Publikation, die direkten Bezug auf die Ausstellung nähme. Meine Mitarbeiterin in Stellvertreterin im Verein Frau Marlies Heer vertrat dann entschlossen und entschieden die Meinung, es müsse ein neues Führungsheft her, sei es in Gestalt einer Überarbeitung der Vorgängerbroschüre, sei es als völlige Neuschreibung. Die genaue Analyse der alten Fassung ergab bald, daß es keinen Sinn machte „das Rad zweimal zu erfinden“, und so nahm ich den Bergmann´schen Text zunächst als Grundgerüst für das neue Heft. Andererseits wurde schnell deutlich, daß seither nicht nur in der Datierung sondern auch in der Fülle der Kenntnisse ungeheuer viel dazu gekommen war, und dies nicht nur im Bereich der Archäologie, sondern auch der Kunstgeschichte, der Volkskunde, der Soziologie, der Religions- und Technik- wie Baugeschichte aber auch der eigentlichen Geschichtsschreibung. Dazu überstürzt sich die naturwissenschaftliche Informationsflut von 14C über Jahrringzählung (Dendrochronologie), Pollenanalyse, Medizin und allgemeine Paläoanthropologie und was weiß ich noch. Der nahe Zugang zu meinem Freund, Mitarbeiter und Kollegen Dr. Jürgen Kneipp aus Züschen, der an der aktuellen Forschungsfront tätig ist, verschaffte mir eine Vielzahl an frischesten Informationen, für die ich ihm hier herzlich danken möchte. Dem Kollegen Dr. Thilo Warnecke aus Ahnatal verdanken wir die neuesten Datierungen, die erstmals in Gestalt einer neuen, farbigen Zeittafel auf uns kamen. Die Photographen der Abbildungen sind zum Schluss aufgeführt. Für die Geduld bei der Korrektur und überhaupt danke ich wieder Frau Marlies Heer, ihr zu Seite standen Frau Irmhild Georg aus Metze, Frau Feih aus Borken und Dr. Kneipp. Sollten es trotzdem zu kleineren grammatikalischen Unzulänglichkeiten und Flüchtigkeiten gekommen sein, so geht das voll auf meine Kappe, aber zum Schluss konnte ich den Text einfach nicht mehr lesen. Schließlich aber nur scheinbar zuletzt danke ich Johannes de Lange und seiner Mitarbeiterin Frau Mathias, die aus annehmbaren Vorlagen und flüchtigen Ideen zur Gestaltung ein vorzügliches Gesamtbild geschaffen haben.
Nun geschieht ja heute vieles vergeblich aber nichts mehr umsonst auf dieser Welt. Das Heft ist im Wesentlichen privat finanziert, aber ohne die großmütige finanzielle Unterstützung durch die Kulturstiftung der Volks- und Raiffeisenbank Schwalm-Eder hätten wir das Projekt erst gar nicht anzufangen brauchen. Auch hierfür vielen Dank, stellvertretend an Herrn Direktor Rembde und Herrn Päschke, der uns darüber hinaus auch stets mit vernünftigem und pragmatischem Rat und Tat zur Seite steht.
Wir wollen dieses Heft natürlich auch verkaufen. Das Geld soll -nach Abzug der Kosten- ungeschmälert dem Museumsverein zugute kommen, der damit seinen Beitrag zur Pflege und Bewahrung der Museumsbestände leisten möchte, und da gibt es reichlich zu tun.
Ich danke für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit!
© Urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten.
Impressum: Verantwortliche Stelle im Sinne der Datenschutzgesetze, insbesondere der EU- Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), ist: Dr. phil. Johann-Henrich Schotten, 34560 Fritzlar-Geismar,
E-Mail: holzheim@aol.com und fritzlar-fuehrungen@gmx.de
Titeldesign: nach Kathrin Beckmann
Dank an Karl Burchart, Horst Euler, Marlies Heer, Klaus Leise. Wolfgang Schütz und Dr. Christian Wirkner für Hinweise und Tipps, Johannes de Lange für die Scan-Vorlagen
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