Vorbemerkung 

Die folgenden Zeilen wurden verfasst, nachdem Mitte Februar 2023 mehrere Besucher aus dem nordhessischen Raum bis Kassel, die den früheren Zustand des Museums noch in Erinnerung hatten, mich telephonisch kontaktierten und sich über das verschwundene "Tulpenfresko" in der großen Halle im EG. des  Hochzeitshauses beklagten. Sie zeigten sich auch sehr verwundert über die während einer Führung vorgetragene Begründung, da diese offenkundig nicht der Wahrheit entsprach. Man bat mich die derzeit bekannten Details aus den Archiven und den damaligen Informationen des langjährigen Museumsvereins-vorsitzenden Hans Heintel noch einmal kurz zusammenzustellen, was hiermit geschieht.

Als die grundlegenden Arbeiten im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Museums in Fritzlar zu Anfang der 1970er Jahre begannen, bedeutete das u. a. eine völlige Renovierung der zuvor jahrzehntelang als Turnhalle benutzten Halle im steinernen Erdgeschoss. Dabei kam es 1973 an der Südseite im 1. OG. des Restes eines Wohnturmes aus dem späten 12. Jahrhundert zu einer völlig überraschenden Entdeckung: Das Rundportal war offenbar zur Nutzungszeit als Hochzeitshaus mit einem farbigen Fresko umgeben worden, dessen Tulpen- und Schneckenmotive als Anspielungen auf Glück, Fruchtbarkeit und Gesundheit (Handwörtebuch des deutschen Aberglaubens, 1987, S. 1183, und S. 1265ff.) ver-standen werden konnten. Dazwischen erscheinen regelmäßig Vulva-Darstellungen, während die Beurteilung anderer Details von der Kenntnis über die Qualität damaliger Mikroskopie abhängen mag. Außerdem legen diese Motive stilistisch und inhaltlich eine Datierung der Malerei in das 16.-17. Jahrhundert nahe, wenn man z. B. an den sog. "Tulpenwahn" denkt, der sich in dieser Epoche entwickelte. Da es in der Fritzlarer Hochzeitsordnung einen Passus gibt, nachdem das frisch vermählte Paar nicht nur einen Tag im Haus verweilt zu haben scheint, mag das drastische Dekor auf eine Art internes "Brautgemach" verweisen, das die gesellschaftliche Bedeutung des Hochzeitshauses in Fritzlar in der damaligen Zeit noch unterstreicht. 
      Es war daher naheliegend, im Rahmen der Erforschung der Hausgeschichte, den Rest des Gemäldes (das man sich vermutlich ursprünglich von Textilien, Vorhängen  u. ä. gerahmt vorstellen muss) wiederherzustellen. Dafür beauftragte der Museumsverein, auf Anraten von Dr. Mangold, dem Vorsitzenden des Hessischen Museumsverbandes, und des Graphikers Dieter von Andrian, in dessen Händen ohnedies die  Gestaltung des Hauses lag, den bekannten, erfahrenden und in Kassel lebenden Prof. Dr. Wilhelm Haarberg, ein Bruder des Pädagogen Rudolf Haarberg, der durch seine ar-chäologischen Interessen schon länger mit der Ur- und frühgeschichtlichen Arbeitgemeinschaft in freundschaftlicher Verbindung stand. Auch die damalige Baudenkmalpflegerin Dr. Annliese Klappenbach, Marburg, war in den Rekon-struktionsprozess mit einbezogen (möglicherweise liegt dort im Amt auch noch eine Dokumentation des vorgefunde-nen Zustandes und der betreffenden Recherchen. 
      Bei der Wiederhestellung des Wandschmuckes achtete Wilhelm Haarberg darauf, daß die Farbgebung nicht erheb-lich kräftiger ausfiel, als die der vorgefunden Freskenreste. Auch wurden die erkennbaren Grenzen der Malerei eingehal-ten, um Phantastereien zu vermeiden. Die Wandverzierung spielte in den folgenden Jahrzehnten eine nicht ganz unbe-deutende Rolle zur Erläuterung der ehemaligen Lebenswelt im Hochzeitshaus für die Besucher.

Die Entscheidung die Dekoration im Rahmen der Museumsneuplanung im Jahre 2020 einfach wieder zu übertünchen, stieß weitgehend auf Unverständnis und wurde als Willkürakt gesehen. Wenn heute behauptet wird, die Farben seien zu "schrecklich" und es wäre von einem Künstler namens Erich Tursch (dessen Bedeutung in Fritzlar eine ganz andere ist) einfach so dahin gemalt worden, so zeugt das nicht von historischem Verständnis, angemessener Recherche und Kompetenz. 

Biographien

HAARBERG, Wilhelm (1891-1986). Haarberg wurde in Deutschland geboren und starb dort, lebte aber längere Zeit in Brasilien (1920-1925). Die Werke dieses Künstlers nahmen an der Woche der modernen Kunst (São Paulo, Februar 1922) teil. Es war Mário de Andrade (1888-1945), der Haarberg einlud, an der Ausstellung teilzunehmen, der Woche der 22 (v.). Der Modernist wurde Professor für Zeichnen an der Deutschen Schule, dem heutigen Porto Seguro College. W. Haarberg organisierte zusammen mit seinen Studenten eine kollektive Ausstellung (São Paulo, Januar 1923), und später nahmen seine Werke an einer kollektiven Ausstellung deutscher Künstler in São Paulo teil und reisten nach Rio de Janeiro (1925). Der Professor graduierte und nahm seine Aufgaben nicht wieder auf, da er nach Deutschland zurückkehrte (Juni 1925). Haarberg ließ sich in Kassel nieder und widmete sich der Kunstlehre, neben der Restaurierung von Kunstwerken aus Holz, Stein und Stuck, die der Präfektur (gemeint ist wohl Land) Hessen gehörten. Zwei Werke von Haarberg, die Skulptur Mutter und Sohn und eine Zeichnung, beide aus der Sammlung Mário de Andrade, befinden sich in der Sammlung des Instituts für Brasilienstudien [IEB] der Universität von São Paulo [USP]. AUSGEWÄHLTE REFERENZ: AMARAL, The Fine Arts in the Week of 22. 5. Auflage, überarbeitet und erweitert. São Paulo: Publisher 34, 1970. 2001. 335 S., S. 226-227.

(Übersetzung aus dem Brasilianischen nach: http://arteamericanadeanvangarda.blogspot.com, Stand: 29. Juni 2015)

 

ANDRIAN-WERBURG, Dieter Freiherr von  (* 26. April 1925 in Berlin-Steglitz; † 25. Dezember 1992 in Kassel) war ein deutscher Grafiker, der vor allem durch seine Gebrauchsgrafik, sowie durch Briefmarkenentwürfe für die Deutsche Bundespost und Piktogramme im Bereich der Eisenbahn bekannt wurde. 

      Dieter von Andrian entstammt der Familie Andrian-Werburg. Er wurde als drittes Kind des Syndikus Carl Anton Freiherr von Andrian-Werburg (1881–1939) und seiner Frau Auguste (1883–1948) geboren. 1943 legte er am Gymnasium Steglitz in Berlin das Abitur ab. Zuvor besuchte er Abendkurse an einer privaten Kunstschule. Nach dem Schulabschluss wurde er zum Reichsarbeitsdienst, anschließend zum Militärdienst eingezogen. Nach der Kriegsgefangenschaft arbeitete er ab 1946 zunächst als Übersetzer für Englisch in Hannoversch Münden. 1947 begann er ein Studium an der wieder eröffneten Staatlichen Werkakademie Kassel bei Ernst Röttger, Arnold Bode, Kay H. Nebel und Hans Leistikow, das er 1952 abschloss. 1953 heiratete er Johanna Grebenstein. Aus der Ehe gingen vier Töchter hervor. Von Andrian lebte und arbeitete von 1965 bis 1992 in Schauenburg-Elgershausen.

      Zum Ende seines Studiums gewann er den 1. Preis in einem Wettbewerb um das Plakat der Reise- und Verkehrsausstellung München 1953. Außerdem erhielt er den Auftrag, zwei Ausstellungshallen der Verkehrsausstellung zu gestalten. Sein Plakat wurde ein Jahr später zu einem der besten Plakate des Jahres 1953 gekürt. Diese Erfolge ermutigten ihn, sich selbständig zu machen. Von 1958 bis 1960 war von Andrian Assistent von Arnold Bode, dem Begründer der documenta und zwischen 1956 und 1965 Mitarbeiter der ANA-Werbung KG in Kassel. 1969 und 1970 war er Gastdozent an der Staatlichen Werkkunstschule Kassel (heute: Kunsthochschule Kassel). Er war Mitglied im Deutschen Werkbund. Eine Auszeichnung erhielt er 1957 auf der 11. Triennale Milano für seine Plakatgestaltung. 1983 wurde ihm für sein Werk das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Von Andrian gestaltete als Glasmaler zahlreiche Bleiglasfenster, Kirchenfenster und Mosaiken wie z. B. das Wandbild „Gläserne Stadt“ in Kassel (1968, Neuaufstellung nach Restaurierung 2019).[1] Weiterhin gestaltete er Bücher und Plakate für die Staatlichen Kunstsammlungen Kassel.

(http://dewiki.de/Lexikon/Dieter_von_Andrian. Stand. 18. Dezember 2019)

 

Stadtgschichte:

Photo: Hans Heintel 1973

Photos: Marlies Heer 2010
und Wolfgang Schütz 2012







Stadtgeschichte:
 

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