Vorbemerkung

Der nachfolgende Text fand sich im WOCHENSPIEGEL Nr. 44/5 vom 29. Oktober 1971 auf der Front- und Folgeseite und entstammt wieder dem Zeitungsarchiv des Regionalmuseums Fritzlar, das parallel zum städtischen aber mit ande-ren Schwerpunkten über viele Jahrzehnte vom Museumsverein angelegt und geführt worden ist. Die persönliche Kennt-nis des Autors Dr. Ludwig Maria Florian (1900-1973) läßt auch hier vermuten, daß die Veröffentlichungen in dieser Zeit auf  Hans Josef Heer zurückgingen. 
      Über den damals offenbar noch recht prominenten Fritzlarer Mitbürger Dr. Ludwig Maria Florian (einem für die Organisation der 1200-Jahrfeier im Jahre 1925 Verantwortlichen), ist heute wenig überliefert (s. wikipedia), auch die angesprochene Festschrift für einen Anlass im Jahre 1929 (möglicherweise seit damals in privatem Besitz von Heer), der die sog. "11er Artilleristen" in Fritzlar betraf, war bislang nicht zugänglich. Der abgedruckte Text gibt einen tiefen Einblick in die Art des Heimatgefühls nach dem 1. Weltkrieg, das von einem heute eher ungewöhnlichen Pathos geprägt war. Kleine Kuriositäten wie die "schöne Erinneung froher Dienstzeit" in einer "freundlichen" Kaserne oder die Verwechslung von "Schiller-" mit "Schildererstraße" (die auch heute bei der Postzustellung gelegentlich noch für Verwirrung sorgt), bis hin zur Hoffnung auf die Auferstehung "unverwüstlicher" deutscher Lebenskraft weisen die Richtung, in welche man seinerzeit zu blicken dachte (nach 1945: CDU). Daher haben diese Worte durchaus ihren dokumentarischen Wert, wie auch die Tatsache, daß man es 1971 kommentarlos veröffentlichen konnte.

UNSERE STADT IN DER WIR LEBEN

In einer im Jahre 1929 erschienenen Festschrift veröffentlichte Dr. Ludwig FLORIAN einen Artikel mit der Überschrift:

„EIN GANG DURCH FRITZLAR“

Auch wenn im Wochenspiegel bereits ähnliche Artikel über unsere Heimatstadt erschienen sind, so wollen wir diese Abhandlung nicht vorenthalten. 
      Herr Dr. Florian ist uns älteren Bürgern noch bekannt. Geboren in Neustadt/ b. Marburg, wohnte er in der Jugendzeit in Fritzlar am Domplatz. Zuletzt war er Polizei-Vizepräsident der Stadt Frankfurt/Main. Er hat auch wesentlich an der Festschrift zur 1200-Jahrfeier von Dr. Jestädt mitgearbeitet.
      Er gehört noch dem Ritterorden vom Hl. Grab in Jerusalem an, und er ist der Präsident des Kath. Deutschen Akademiker - Verbandes in Köln. Sein Wohnort ist Frankfurt/M.-Süd, Gartenstraße 72.
       Wir veröffentlichen nachstehend den Artikel im Wortlaut:

Fritzlar verdient schon wegen seiner geschichtlichen Vergangenheit größtes Interesse. Aber diese Vergangenheit steht vor uns nicht als bloße Erinnerung, sondern die Bühne, auf der sich so mancher Akt im Drama der Geschichte ab­gespielt hat, ist in einem Reichtum kulturhistorischer Denk­mäler enthalten, die Fritzlar zu einer Sehenswürdigkeit ersten Ranges macht.

      Schon wenn man sich von Süden der Stadt nähert, bietet sie, hingelehnt an den Bergabhang, umgeben von Zinnen und Türmen, überragt von dem herrlichen Dom, ein Bild, einzigartig, in dem sich die Romantik der Natur mit der der Geschichte aufs schönste vereinigt. Es ist daher verständ­lich, wenn namhafte Künstler dieses Bild immer wieder festgehalten haben.

       Von Norden kommend, grüßt uns zuerst freundlich Fritzlars Kaserne, für manchen eine schöne Erinnerung froher Dienst­zeit, Echter Reitergeist herrscht auch heute noch wie einst im Standort Fritzlar. Aus der Allee winken Linden und Kastanien und geben Fritzlars Festplatz, bekannt vom Fritz­larer Pferdemarkt, das Gepräge. Eine noch gut erhaltene Stadtmauer mit trutzigen Türmen erinnert an Fritzlars Wehr­barkeit als starke Festung des Mittelalters. Dort, wo einst das Haddamartor den Stadteingang schirmte, betreten wir die eigentliche Stadt. Aufmerksamkeit verdienen auf der linken Seite zwei steinerne gotische Zwillingshäuser aus dem 14. Jahrhundert. Rechts abbiegend, kommen wir zum Marktplatz. Hier haben wir das Schönste im Straßenbild. Fritzlars Marktplatz mutet an wie ein mittelalterliches Idyll. In der Mitte steht als Zeichen von Markt - und Stadtrecht der Rolandsbrunnen aus dem Jahre 1564 im Renaissancestil mit bunter Bemalung. Verschiedene Wappen bringen die Lan­deshoheit von Kurmainz zum Ausdruck. Rings um den Markt dem Mittelpunkt der Stadt, wo aus allen Richtungen Gassen und Gäßchen einmünden, drängen sich die Fachwerkhäuser, unter denen vor allem das schmale Kaufhäuschen zu erwäh­nen ist. Wir folgen weiter der Geismarstraße, lassen die Schiller-, einst Schildernstraße liegen und gelangen zum Hochzeitshaus, einem gewaltigen Fachwerkbau. Auf dem Grundstück stand einst das Wirtschaftsgebäude des Klosters Hains, Bei der Reformation wurde es von Landgraf Philipp der neugegründeten Universität Marburg geschenkt. 1580/90 wurde dann von der Bürgerschaft das Hochzeitshaus errichtet, das zur Abhaltung der bürgerlichen Feste diente. Der Burggraben, so genannt nach der hier früher gelegenen Burg des Landesherrn, des Kurfürsten von Mainz, führt uns zu Fritzlars größtem Festungswerk, dem „Grauen Turm“, Er war die Hauptverteidigungsstelle, stark mit Geschütz be­stückt und die Signalstation für die sieben Warten im Felde. In der Ferne grüßt der Büraberg, wo Professor Vonderau namhafte Ausgrabungen leitet. Wir wenden uns und gelangen am ehemaligen von Buttlar´schen Herrensitz, dem jetzigen Ursulineninstitut St. Wigbert vorbei, zum Domplatz, in kurhessicher Zeit Paradeplatz der kurhessischen Husaren. Den im Weltkrieg gefallenen Söhnen der Stadt Fritzlar hat hier der Kriegerverein ein Denkmal gesetzt. Vor uns erhebt sich stolz der gewaltige Dom mit den imposanten Türmen, Fritzlars Glanzstück. Nach der Renovation stellt er ein Kleinod mittelalterlicher Architektur der verschiedensten Bauperio­den dar, Bedeutende Kunstschätze bietet der Domschatz und das Dornmuseum. Die Dombibliothek vereinigt Reste der ehemaligen großen Stiftsbibliothek mit Teilen der Bibliothek des Minoritenklusters. Eine sachkundige Führung durch den Domküster ist zu empfehlen. Nördlich vom Dom liegt Fritzlars Rathaus aus dem Jahre 1441. Der malerische goti­sche Bau von einst ist verschwunden. An der Westseite des Rathauses finden sich Reste des alten Prätoriums aus dem 12. Jahrhundert, somit dürfte Fritzlars Rathaus als das älte­ste Deutschlands angesprochen werden. In unmittelbarer Nä­he ragt aus dem Fischgäßchen eine alte Steinkurie. Vom sogenannten Zuckmantel hat man einen herrlichen Blick ins Edertal und auf die Neustadt. Dieser Stadtteil war im Mittel­alter eine selbständige Gemeinde. Die St. Katharinenkirche mit dem Ursulinenkloster, einst Augustinerinnenkloster und das alte Hospital zum hl. Geist mit der sogenannten Cholerakapelle, einem Schmuckkästlein mittelalterlicher Kirchen­kunst, fesselt unsern Blick. In der Münsterstraße ist noch das einstige Deutschordenshaus, jetzt Oberförsterei von Be­deutung. Am Landratsamt vorbei, gelangen wir zum Werkel­tor, am Denkmal für die Gefallenen von 1870/71 vorbei, zur evangelischen Kirche, einst Minoritenkirche, aus dem 14. Jahrhundert, im rein gotischen Stil.

      Das einstige Minoritenkloster dient heute als Krankenhaus. Weiter folgen wir der Werkelstraße am Postamt vorbei und beenden unsern Rundgang am Marktplatz.

     Fritzlars Geschichte und Städteromantik ist einzig dastehend und schlägt immer wieder den Besucher in ihren Bann. 12 Jahrhunderte haben Fritzlar, inmitten des Hessenlandes, das Gepräge gegeben. Fritzlar lebt !

     Es sah goldene Zeit und eiserne Zeit. Glanzzeit und Notzeit, sie sind an Fritzlar vorübergerauscht. Fritzlar lebt und blüht und trägt in seinen Antlitz leuchtende Male großer Vergan­genheit. Ein mittelalterliches Kleinod ist Fritzlar, ehr­furchtgebietend überzogen mit dem Edelrost geschwundener Jahrhunderte. Dreimal stand Fritzlar vor dem Untergange. Immer wieder raffte es sich mit unverwüstlicher Lebenskraft zu neuem Leben auf. Mit unverwüstlicher Lebenskraft! Fritzlar zog sie aus dem deutschen Mutterboden, aus dem es wuchs. Denn unverwüstliche Lebenskraft ist deutsche Art. Liegt auch jetzt unser Vaterland nach dem letzten großen Kriege mit dem Leben ringend schwer krank darnieder, es werden wieder bessere Tage kommen, in denen Deutschland zu neuem Leben auferstehen wird.

      Und auch in diesem wieder auferstandenem deutschen Volk und Vaterland, bleibe unser Fritzlar auf fernste Zeiten ein Juwel !

 

Stadtgeschichte:

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